Amazon Kindle sammelt heimlich Nutzerstatistiken

Ich mag eBook-Reader.

Ich muss ein Buch nicht in Plastikform lesen, aber ich habe auch nichts dagegen. Diese Geräte haben Format und Gewicht eines dünnen DIN-A-5-Buches, fassen aber hunderte oder tausende Bände statt nur einem.

Gerade im Urlaub oder auf dem täglichen Weg zur Arbeit kann ich mir gut vorstellen, meine gesamte Bibliothek in digitaler Form mitzunehmen. Keine Eselsohren mehr, kein zerlesener Umschlag, Nachschlagen in sämtlichen Teilen einer Serie jederzeit möglich.

Von den Vorteilen, die das digitale Format in Bezug auf Weiterverwertung hat, möchte ich gar nicht erst anfangen – wer in seiner Schul- oder Unizeit Zitate, Tabellen und Listen aus Druckwerken per Hand abgetippt hat, weiß, wovon ich spreche.

Nun gibt es diese Lesegeräte (hehe) von allerlei Anbietern: Sony, Barnes & Noble, Samsung... genau genommen ist auch Apple's iPad nichts anderes als ein internetfähiger eBook-Reader.

Der eBook-Reader Kindle von Amazon

Amazon hat mit dem Kindle ein Gerät im Angebot, das nicht nur optisch anspricht, sondern im Vergleich zum gehypten iPad oder vielen anderen Produkten eine richtige Tastatur bietet. Blog-Einträge in der Bahn schreiben? Ja, bitte!

Wenn – ja wenn – Amazon nicht ähnlich wie Google, Apple oder Microsoft geneigt wäre, seine Marktmacht auszunutzen und gegen seine Kunden zu richten. Nicht genug, dass die zahlende Kundschaft gezwungen wird, elektronische Bücher ausschließlich im Amazon-eigenen eBook-Shop zu kaufen (iTunes oder der App Store lassen grüßen!).

Wie jetzt bekannt wurde, schickt die Kindle-Software in regelmäßigen Abständen Informationen "nach Hause", welche Textstellen der Leser als wichtig markiert hat. Erste Auswertungen finden, in anonymisierter Form, auf der Beta-Plattform von Amazon Kindle bereits statt.

Das Problem? Auch wenn Amazon die kompletten Daten nicht veröffentlicht, so liegen sie dennoch in der Datenbank des Unternehmens. Zusammen mit den Informationen, welche Bücher, CDs und Software jemand gekauft hat, welche Kommentare und Rezessionen er jemals abgegeben hat und auf welche Produkte er sich laut seiner Amazon Wishlist gerade besonders freut.

All das sind Daten, über die Amazon hochgradig effektives Targeting betreiben kann. Auch Dritte werden dem Unternehmen viel Geld für diese Informationen zahlen.

Wer weiß, ob Amazon nicht bereit (oder verpflichtet) ist, bei "auffälligen" Markierungen oder Lesegewohnheiten die Bundesbehörden zu informieren? Seit Einführung des Patriot Act dürfen sowohl FBI als auch CIA auf diese Daten zugreifen.

Eine alte Ausgabe von George Orwell's 1984

George Orwell's Dystopie 1984 handelt von einer Gesellschaft, in der alles über die gläserne Bevölkerung bekannt ist. Auch der berühmte Ausspruch Big brother is watching you, der heute zum ironisch-augenzwinkernden Werbeslogan eines deutschen Privatsenders pervertiert scheint, entstammt dem Werk.

In der Fiktion werden Nachrichten, Unterhaltungsmedien, Erziehung und Künste von Regierungsämtern überwacht und diktiert. Bei Abweichungen folgt Festnahme, Folter, Umerziehung. Unliebsame Berichte und Fakten verschwinden im Orwell'schen memory hole.

Wie bezeichnend, dass Amazon heute vor fast 10 Monaten ohne Vorwarnung die Bücher 1984 und Animal Farm (beide Orwell) per Fernsteuerung von den Kindles Ihrer Kunden löschte.

Mehr: The USA Patriot Act: What Are You Reading?, Amazon Erases Orwell Books From Kindle